Die wenigsten wissen es. Ich habe es auch jahrelang für mich behalten, weil es mir ein bisschen unangenehm war. Aber jetzt scheint sich die Ära der Rosamunde Pilcher allmählich Richtung Ende zu neigen. Heute vor 4 Jahren hat die alte Dame die Welt verlassen, und vor einigen Tagen meldete ZDF, dass dieses Jahr weniger Pilcher-Filme gedreht werden als sonst. Und das nehme ich jetzt mal zum Anlass zu sagen: ich war nicht nur dabei, nein, es war damals sogar meine Idee.
Ich kam 1992 als junge Dramaturgin der Frankfurter Filmproduktion aus einem Englandurlaub zurück und hatte dort “Die Muschelsucher” gelesen. Und dann hatte ich entdeckt, dass es auch viele “kleine” Romane von Rosamunde Pilcher gab. In denen ging es immer um Liebe, um Familienkonflikte, um Lebensentscheidungen, um Stadt und Land, Naturverbundenheit und Profit. Es fand sich in den Romanen quasi immer einen Vorläufer von Christian Lindner (der Porschefahrer, der die schöne Küstenstrasse in Cornwall entlangheizt) und einen Vorläufer der Klimabewegung (der Typ in Gummistiefeln, der gut zu Tieren und Natur ist, weil er sich als Teil dessen begreift) und eine Frau dazwischen, die sich entscheiden musste. Zwischen dem bösen Profit, dem oberflächlichen Karriere- und Stadtleben und dem guten Landleben mit dem Typen mit den Gummistiefeln und dem Golden Retriever. Damals, als gehetzte Städterin, die Karriere machen wollte, dachte ich, ach, das passt doch gut zum Sonntagabend, ein bisschen vom Ausreißen in ein anderes Leben zu träumen, bevor die Woche wieder loswollt. Und das dachten dann ja auch ziemlich viele andere.
Mit der Umsetzung der Romane zu Filmen hatte ich dann nichts mehr zu tun. Aber über 30 Jahre lang konnte ich staunend verfolgen, wie beständig die Rosen vor herrschaftlichen Landsitzen in Cornwall blühten. Ich war nie ein Fan der Filme, weil ich den britischen Humor oder auch die Prise Scharfzüngigkeit, den Mut zu großen und echten Gefühlen, den es – vor allem in Pilchers großen Romanen – durchaus gibt, immer vermisst habe. Dafür standen für mich immer zu viele schöne, perfekt frisierte Menschen in perfekt gebügelten Hemden in schöner Landschaft, die sich erzählen, was sie fühlen, ohne die Zuschauenden wirklich mitfühlen zu lassen. Das fand ich immer schade. Aber meine Güte, genau das hat sich 30 Jahre lang bewährt. Und Cornwall ist ja auch wirklich schön. Und die Rosen auch, keine Frage. Pilcher wurde zu einer Marke, die mit Pilcher selbst gar nicht mehr viel zu tun hatte. Autorinnen und Autoren dachten sich Geschichten á la Pilcher aus, und stellten sie unter ihren Namen. So viele Romane wie es Filme gibt, hätte sie ja niemals schreiben können. Was á la Pilcher war, das entschieden die Fernsehmacher.
In England begann man sich darüber zu wundern, dass immer mehr deutsche Touristen nach Cornwall pilgerten, um die Drehorte der Pilcher Filme zu besichtigen. Rosamunde Pilcher? Wer ist das denn? Doch das wandelte sich zunehmend. Mittlerweile weiß jeder Brite, dass die Deutschen Rosamunde lieben, und manch einer las ihre Bücher genau aus dem Grund, um zu sehnen, was die Deutschen denn bloß daran finden… Selbst Prince Charles machte, als er noch der Prince of Wales war, vor ein paar Jahren einen Setbesuch, für den alle mal rasch den Hofknicks übten. Wäre ich da gerne dabei gewesen? Nein. Aber mit Rosamunde Pilcher hätte ich gerne mal Tee getrunken und sie zwischen ihren schönen Rosen gefragt, wie sie das alles eigentlich findet?
Vor ein paar Jahren rief mich meine ehemalige Chefin an, ob ich nicht auch mal ein Drehbuch für die Pilcher Reihe schreiben möchte. Bevor sie in Rente geht, würde sie sich das noch wünschen. Das tat ich dann auch mit Unterstützung einer Co-Autorin, weil ich zwar eine Idee à la Pilcher hatte, aber doch recht ausgebucht war zu dem Zeitpunkt. Seitdem “Wie von einem anderen Stern” ausgestrahlt war, wurde ich von allen Veranstaltern und Veranstalterinnen bei Lesungen immer als die Frau vorgestellt, die Pilcherfilme schreibt. Weshalb ich ihn irgendwann aus meiner Filmographie herausgenommen habe. Nikola Bock und ich hatten wirklich Spaß dabei, das Buch zu schreiben. Aber ich wollte trotzdem nicht, dass mein ganzes Schaffen vor jeder Lesung auf diesen einen Film reduziert wird. Aber hier habe ich es nun mal offenbart: Rosamunde und ich, da gibt es einen Zusammenhang. Und die Rose im Foto zu diesem Beitrag ist übrigens die Grünäugige Madame Hardy. Über die hätten wir uns vielleicht auch unterhalten beim Tee…