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Kurzgeschichten unter arktischer Mitternachtssonne

Vor 10 Jahren habe ich meinen ersten Buchvertrag unterschrieben, für Obendrüber da schneit es, das bei List im Jahre darauf als kleines Hardcoverbändchen erscheinen würde. Da ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Und mit dem Vorschuß konnte ich mir sogar noch einen Traum erfüllen: Eine Reise in die Arktis.

Im Sommer 2008 habe ich auf einem argentinischen Eisbrecher Spitzbergen umrundet, bin eingetaucht in diese eisige Welt der Arktis, überwältigt von der Weite, trunken vom Licht des arktischen Sommers, in dem die Sonne niemals untergeht. Es ist seltsam, bei strahlendem Sonnenschein um drei Uhr nachts ins Bett zu gehen. Ich hatte immer das Gefühl, ich verpasse etwas, wenn ich schlafe, während doch die Sonne so schön scheint!

Man ist 10 Tage lang mit komplett fremden Menschen zusammen, teilt mit ihnen besondere Erlebnisse und einzigartige Augenblicke, sieht Bilder von fremder Schönheit, wird immer dünnhäutiger von der Schlaflosigkeit, dünnhäutiger auch von der überwältigenden Natur, in der man sich der Winzigkeit des Menschendaseins so bewusst wird, und auch vom dauerhaften Brummen des Schiffsmotors

In den darauf folgenden Jahren habe ich angefangen, diese Eindrücke in Kurzgeschichten zu verarbeiten, die seitdem ihr trauriges Schubladendasein fristeten. Immer mal wieder habe ich sie angeschaut, drei Worte verändert, immer mal wieder hoffnungsvoll meinen Agenten oder Verlag gefragt, ob man denn nicht vielleicht doch… ?

Nein!

Die Kurzgeschichte als solche ist hierzulande nicht wirklich geliebt, Verlage versprechen sich keine großen Gewinne, es gab viel Achselzucken… hmmm, eventuell nächstes Jahr? Vielleicht als drittes Buch? Oder vielleicht ja als viertes Buch? Wie werden sehen…

Und natürlich habe ich auch gezweifelt, ob sie vielleicht doch nicht gut sind, die Geschichten? Nicht gut genug? Ob nur ich sie mochte, weil sie meine Schöpfungen sind, aber niemand sonst sie mögen kann? So wie Mütter auch unansehnliche Babys und missratene Kinder wunderschön finden, während alle anderen sich heimlich zuraunen, dass es sich ja vielleicht noch verwächst?

Und jetzt gibt es plötzlich einen kleinen, unabhängigen Verlag, mit einem Verleger, der sie mag, die bisher nur von mir geliebten Erzählungen. Und sie werden schon diesen Sommer erscheinen, genau 10 Jahre nach dieser Reise.

Vielleicht mussten sie einfach erst die gewisse Schubladenreife bekommen?
Ich bin jedenfalls froh, dass sie nicht wie ein guter Single Malt Whisky 30 Jahre im Fass lagern mussten, sondern nun schon nach 10 Jahren die Schublade verlassen dürfen.

astridruppert

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